Dichter und Werk
Bislang fehlte eine größere Gesamtdarstellung der Werke
Ovids in deutscher Sprache. Diese Lücke, die immerhin einen
der bedeutendsten Dichter der Weltliteratur betraf, wird durch
das vorliegende Buch von Niklas Holzberg geschlossen.
Der Autor wendet sich bewußt gerade auch an ein Publikum,
das mit der klassischen Antike entweder gar nicht oder seit der
Schulzeit nicht mehr besonders gut vertraut ist. Diesem Ziel
entsprechen seine unprätentiöse Sprache, die kluge Auswahl
der zahlreichen Beispieltexte, die gut verständlichen Übersetzungen
und klaren Interpretationen.
Mit Charme und auf profunde Sachkenntnis gegründet, präsentiert
und erklärt Niklas Holzberg die Werke, Ovids in der zeitlichen
Reihenfolge ihrer Entstehung. Er enthüllt dabei, wie modern
der Umgang des Dichters mit zeitlos aktuellen Themen, wie etwa
der Psychologie der Erotik und der Bloßstellung von Heldenpathos,
anmutet. Er zeigt, wie Ovid sein heiteres poetisches Spiel mit
Sachverhalten trieb, die jedoch Augustus, der erste Kaiser Roms,
bitter ernst nahm. Ovids Kühnheit in diesen Dingen wird
im vorliegenden Werk ebenso deutlich wie seine poetische Meisterschaft
- dabei wird die Provokation unübersehbar, die Augustus empfunden
haben muß, als er mit den Lehren der Ovidischen Liebeskunst
konfrontiert wurde. Diese standen in krassem Gegensatz zu seiner
strikten Sittengesetzgebung.
Nicht besser verhielt es sich mit den Metamorphosen, in
denen der Dichter die Verwandlung zum herrschenden Prinzip erklärte,
während die Propaganda des Augustus nach dem Ende des blutigen
Bürgerkrieges Ruhe und Stabilität verkündete.
Ohne dem Leser Lösungen aufzudrängen, gelingt es Niklas
Holzberg, in diesen Teilen seines Buches mögliche Zusammenhänge
von hoher Politik, Dichtung und letztlich der Verbannung Ovids
ans Schwarze Meer nahezubringen. Heroidenbriefe, der vergnügliche
Kommentar zum römischen Festkalender und die im Exil
entstandenen Elegien bilden weitere Kapitel des Bandes, der auch
dem Kenner antiker Literatur zahlreiche Anregungen bietet: Setzten
frühere biographische Deutungen allzu unbekümmert das
in den Werken sprechende Ich mit der realen Person des Dichters
gleich, wird hier der literarische Charakter dieser Poesie betont.
Die Anwendung moderner Methoden der Texterschließung läßt
einen Erzähler erkennen, der mit seiner Art der Stoffbehandlung
schon in der Nähe des neuzeitlichen Romans steht.